Birgit Hering, Eurythmistin Blog  
 
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zum  20. Oktober 2012,
100 Jahre Eurythmie, Rudolf Steiner Haus
 

Wir sind heute hier und feiern, heute ganz besonders, ein Fest zusammen: 100 Jahre Eurythmie!

Inzwischen arbeitet und verbindet sich mit dieser Kunst die 4. Generation von Eurythmisten. Ich selber gehöre zur dritten Generation und habe die Ausbildung bei Helene Reisinger in Berlin gemacht, die ihrerseits zum Ende der 1. Generation der Eurythmisten gehörte.

Auch damals gab es Neue Richtungen, andere Richtungen innerhalb der eurythmischen Entwicklung. Schon gleich nach Steiners Tod, mit Marie Steiner, hat sich die Eurythmie verändert.

Und, nach dem 2. Weltkrieg, hatte Helene Reisinger den Impuls, für ihre Zeit revolutionär und heftig angegriffen, moderne Lyrik und später gemeinsam mit ihrer Tochter Claudia Reisinger, moderne Musik in ihre Bühnenprogramme aufzunehmen.

Das waren damals die Neuen Richtungen.

Die Grenzen, die Richtungen waren in meiner Ausbildungszeit klar abgesteckt: die Stuttgarter Eurythmie, die Berliner Eurythmie, die Dornacher Eurythmie usw. Unterschiedliche Städte, unterschiedliche Stile und Richtungen. Heute, wenn wir nach der Berliner Eurythmie fragen würden....müßte man genauer nachfragen: welche Eurythmie, welche Gruppierung, wer?

Es herrscht inzwischen unter uns Eurythmisten auf der ganzen Welt eine noch viel größere Vielfalt.

Ich möchte an dieser Stelle an Christine Lubcyk erinnern, eine Eurythmistin der 2. Generation, die vor nicht langer Zeit verstorben ist. Sie hatte ihre Ausbildung bei Helene Reisinger gemacht, bevor sie für über 40 Jahre in Dornach als Bühnenkünstlerin und Ausbildnerin tätig war. Später kam sie nach Berlin zurück.

In ihren Erinnerungen schreibt sie, dass sie lange, lange Jahre gebraucht hat, um zu ihrer ganz eigenen Eurythmie zu finden.

Für uns später Geborene und vor allen Dingen für die jetzt arbeitende 4. Generation ein wichtiges Thema: die ganz eigene Eurythmie, die ich nicht nur mache, sondern in der ich lebe.

Tradition hält ungefähr 3 Generationen, dann verwässert auch etwas und es müssen neue Inspirationen und Impulse dazu kommen! Jede Kunst verändert sich, indem sie sich entwickelt. Und das Neue kann in vielen Zusammenhängen, da und dort, in Erscheinung treten. Wir brauchen viel Aufmerksamkeit und Offenheit, um das Neue auch dann zu bemerken, wenn es an einer Stelle auftritt, wo wir es nicht erwarten.

Auffallend ist vielleicht, dass bei der jüngeren Generation gar nicht mehr überall das Bedürfnis herrscht, die Eurythmie als solche auf die Bühne zu bringen, sondern eher einen Gesamtzusammenhang,   e i n e   Aussage und die Eurythmie als Gestaltungsmittel für eine Aufführung oder Performance nehmen.

Performance, das ist ein Begriff aus unserer heutigen Zeit, seit den 60iger Jahren.

Es lohnt sich, einen Blick auf den historischen Kontext zu werfen, die Zeit vor 100 Jahren, als die Eurythmie entstanden ist. Damals suchte Lory Smits einen Beruf, der etwas mit   B e w e g u n g   zu tun hat und dadurch konnten die ersten Schritte für unsere Eurythmie getan werden.

Die Eurythmie begann nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einer Zeit, in der sich auch die Tanzkunst, die Kunst überhaupt radikal verändert hat.

Die Anfänge der Eurythmie stehen in einem deutlichen Bezug zur damaligen Zeit.

Auch heute ist vieles in Bewegung, was man gerade in Berlin gut wahrnehmen kann.

Ich habe neulich in einem Vortrag einen guten Gedanken gehört, den ich jetzt für Sie referieren werde. Es ging dabei um die bekannte, früheste Frage nach der Eurythmie.

„Könnten Sie das tanzen?“, die Rudolf Steiner Margarita Woloschin nach einem Vortrag in Hamburg 1908 gestellt hat. In diesem Vortrag sprach er über den Prolog des Johannesevangeliums: Im Urbeginne war das Wort. Deswegen wird meistens angenommen, mit „das“, sei der Prolog als Text gemeint, der getanzt werden könnte. Hat er mit „das“ vielleicht das gemeint, worum es in diesem Vortrag ging?

Der Vortrag handelt vom Menschen, der als Geschöpf ein Götterwort ist, aber gleichzeitig die Möglichkeit hat, selbst zu einem Schöpfer zu werden, indem er spricht.

Könnten Sie das tanzen?“

Der Mensch, der schöpferisch wird!

Schöpferisch sein, in der Kunst der Eurythmie, das heißt auch, daß wir immer individueller werden, immer eigener, dass wir verschiedene Wege gehen, daß wir suchen!

Ich freue mich darüber, dass wir es nicht mehr nötig haben, uns radikal und moralisch voneinander abzugrenzen, sondern dass wir beherzigen, was Rudolf Steiner in der Philosphie der Freiheit schreibt:

„Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnis des fremden Wollens ist die Grundmaxime freier Menschen.“

Uns verbindet das Interesse und die Liebe zur Eurythmie.

Eine Zeile von Nietzsche, die Christian Morgenstern als Motto verwendet hat, kann auch  für die Eurythmie gelten:

„Nur wer sich wandelt, bleibt mit mir verwandt.“

Ich wünsche allen 70 Mitwirkenden, und uns teilhabenden Zuschauern einen wunderschönen Abend!


Birgit Hering
 
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